Pollini
und Beethoven
Eine schicksalhafte Beziehung
Zu diesen »Lebenswerken« im wahrsten Sinne
des Wortes gehören für Pollini zweifellos
sämtliche Klaviersonaten Ludwig van Beethovens.
Die späten Sonaten des Bonner Meisters
nahm er in den 1970er Jahren erstmals auf, er
legte eine Gesamteinspielung der Sonaten vor
und erst 2020 erschien ein Konzert-Mitschnitt
der drei letzten Sonaten op. 109 – 111 aus dem
Münchner Herkulessaal.
Neben Beethoven bilden Chopin, Schumann
und Brahms seit Jahrzehnten eine Konstante
in Pollinis Repertoire. Doch die Neugier auf
neue und neueste Musik ist ungebrochen.
Pollini hat eng mit Luigi Nono, Pierre Boulez
und Karlheinz Stockhausen zusammengearbeitet
und deren Werke aufgeführt. Dabei
waren ihm die »Progetti Pollini« eine Herzensangelegenheit.
Für diese in den 1990er Jahren
bei den Salzburger Festspielen konzipierte
Konzert reihe stellte der Pianist Programme
zusammen, die den dramaturgischen Verbindungen
von zeitgenössischer Musik und Werken
der Klassik und Romantik nachspürten.
Ein ähnliches Konzept setzte er auch mit den
»Pollini Perspectives« um. Mit diesen Programmen,
die eigens dafür komponierte Auftragswerke
und Meilensteine der Klavierliteratur
miteinander verknüpften, gastierte der Pianist
weltweit.
Projekte und Perspektiven: Dies sind sicherlich
Schlüsselworte für Pollinis einzigartige
Karriere. 1960 gewann der 18-jährige Pianist
als erster Italiener den renommierten
Chopin-Wettbewerb. Von Jury-Mitglied Artur
Rubinstein erhielt er sogleich den Ritterschlag.
»Maurizio Pollini spielt technisch besser als jeder
von uns!«, soll der Meister gesagt haben.
Berühmt wurde dieser Satz allerdings unter
Auslassung des entscheidenden Wörtchens
»technisch«, wie Pollini in Monsaingeons Film
schmunzelnd berichtet.
»Meine Entscheidung, ein Stück in mein Repertoire
aufzunehmen, beruht auf der absoluten
Gewissheit, dass ich der von mir
ausgewählten Werke niemals überdrüssig
werde.« In dem 2014 entstandenen Filmporträt
»De main de maître« von Bruno Monsaingeon
berichtet Maurizio Pollini über die Werke,
die er spielt, seinen Werdegang als Pianist und
seine Beziehung zu Komponisten und Musikern.
Pollini, der in diesem Jahr seinen achtzigsten
Geburtstag feiert, wird nicht müde,
immer wieder nach neuen Facetten in denjenigen
Werken zu suchen, die ihn schon sein
ganzes Leben lang begleiten:
»Ein Pianist hat Werke in seinem Repertoire,
die er unter verschiedenen Umständen und in
verschiedenen Städten immer wieder spielen
wird. Er muss sie lernen und wieder lernen, er
muss eine besondere und dauerhafte Verbindung
zu ihnen haben. Eine solche Verbindung
habe ich vielleicht nicht zu Stücken, die nicht
zu meinem Repertoire gehören und die von
anderen sehr schön gespielt werden. Zu diesen
verspüre ich aber nicht die Notwendigkeit
einer besonderen Beziehung, die ein suchendes,
gewissenhaftes und wiederholtes Studium
voraussetzt. Daher halte ich mich an die
Idee, nur Dinge zu spielen, von denen ich sicher
weiß, dass sie mir nie langweilig werden.«
Sicherlich wäre Pollini auch ohne das aufgehübschte
Zitat berühmt geworden. Nach
dem Wettbewerb machte er international als
Chopin-Interpret Furore, merkte aber schnell,
dass ihn dies nicht erfüllte. »Heute empfi nde
ich es als große Ehre, Chopin-Spezialist
genannt zu werden«, berichtet Pollini. »Aber
damals wollte ich viele andere musikalische
Erfahrungen sammeln.« Er nahm sich eine
Auszeit vom hektischen Konzertbetrieb, studierte
mit Arturo Benedetti Michelangeli und
stellte die Weichen für seine »Lebenswerke«.
Pollini und Beethoven haben sich gefunden: In
seinem Kölner Konzert wird er dessen Universum
eine weitere Facette hinzufügen. Auf die
Frage, ob ihm bestimmte Sonaten besonders
nahestehen, antwortete Pollini in einem FAZInterview:
»Die späten. Und zwar lebenslang.«
Es muss Schicksal sein. Miriam Weiss
Konzerttermin
Dienstag, 12. April 2022, 20:00
Maurizio Pollini Klavier
Ludwig van Beethoven Sonate für Klavier
Nr. 28 A-Dur op. 101
Sonate für Klavier Nr. 29 B-Dur op. 106
»Große Sonate für das Hammerklavier«
www.koelner-philharmonie.de/
programm/maurizio-pollini/2622