Die
Königin
der
Operette
Solistinnen und Solisten der Opernfestspiele Heidenheim und die
Cappella Aquileia mit der »Fledermaus«
Was wäre das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ohne
den schwungvollen Walzer »An der schönen blauen Donau«? Alljährlich
gehört die berühmte Komposition von Johann Strauß zum
festen Bestandteil der Zugaben. Nicht weniger bekannt ist seine
Operette »Die Federmaus«. Und was wäre die Wiener Staatsoper
ohne sie? An jedem Silvesterabend garantiert sie dort dem Publikum
ein angenehmes Hinübergleiten ins neue Jahr. Seit 1897
war der aufstrebende Komponist Gustav Mahler an der damals so
benannten Wiener Hofoper als Direktor tätig. Er setzte im Oktober
1894 erstmals die »Fledermaus« auf das Programm, da er von
den musikalischen Qualitäten der 1874 im Theater an der Wien
erstmals gespielten Operette überzeugt war. Außerdem verfolgte
er den Plan, am Pfingstmontag des Jahres 1899 den zu dieser
Zeit 73-jährigen Johann Strauß einzuladen, sein Meisterwerk im
Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu dirigieren. Die Einnahmen
sollten dem Pensionsfond der Künstler zufließen. Strauß
empfand das als große Ehre und sagte zu, fühlte sich aber am Tag
der Aufführung aufgrund seines Alters einer kompletten Vorstellung
nicht mehr gewachsen. So dirigierte er lediglich die Ouvertüre
und nahm dann bis zur ersten Pause einen Ehrenplatz in einer
Loge ein. Auf der Rückfahrt mit der Kutsche in sein Palais zog er
sich eine Erkältung zu, an der er zwölf Tage später verstarb. Seine
»Fledermaus« wird auch die Königin der Operette genannt. Doch
was macht sie so außergewöhnlich? Eigentlich sind drei unterschiedliche
Stücke an einem Theaterabend zu erleben. Der erste
Akt präsentiert sich als Salonkomödie um den vermögenden
Gabriel von Eisenstein, der wegen Beamtenbeleidigung für einige
Tage ins Gefängnis soll. Seine Ehefrau Rosalinde wartet nur darauf,
um sich dann ungestört mit ihrem Liebhaber Alfred amüsieren
zu können. Eisenstein hingegen unternimmt vor seinem Haftantritt
schnell noch einen Abstecher auf einen Maskenball, der unter
dem Motto: »Walzertanz und Champagnerrausch« steht. Dort trifft
er auf Gäste mit falschen Adelstiteln, Künstlerinnen, die keine sind,
eine mysteriöse ungarische Gräfin sowie betrunkene Beamte. Der
dritte Akt gerät zur Posse. Alle Beteiligten treffen sich in einem Gefängnis
wieder, auch die Zofe Adele, die sich auf dem Faschingsball
als vielversprechendes Gesangstalent ausgegeben hat. Und
nicht nur der leicht vertrottelte Gefängnisaufseher Frosch verliert
endgültig den Überblick über die zahlreichen erfundenen Identitäten
und die dadurch ausgelösten Verwicklungen. Für Johann
Strauß boten sich somit Musizieranlässe in Hülle und Fülle. Walzer,
Couplets, Duette, Trinklieder und beschwipste Chöre – Text,
Musik und Tanz verschmelzen zu einer ausgewogenen Balance.
Zwar gilt »Die Fledermaus« als Inbegriff der Wiener Operette, aber
genau das ist sie streng genommen nicht. Weder reimt sich hier
Herz auf Schmerz noch werden die typischen »Wien, Wien, nur
du allein«-Sentimentalitäten besungen. Vielmehr zeigt sich Johann
Strauß als Geistesverwandter der Pariser Opéra bouffe à la
Jacques Offenbach. In enger Zusammenarbeit mit seinen Librettisten
Karl Haffner und Richard Genée schuf er eine Satire auf die
damalige gehobene Gesellschaft, deren bürgerliche Fassade auf
dem Ball von Prinz Orlowsky zu bröckeln beginnt. Es wird gelogen
und betrogen, man sucht die Ablenkung, den schnellen Kick.
Im dritten Akt weichen Rausch, Maskeraden und Heimlichkeiten
der Ernüchterung. Aber das wird achselzuckend hingenommen.
»Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist« wird
gesungen und alle Beteiligten sind sich einig: »Champagner hat’s
verschuldet, tralalalala.« Jürgen Gauert
Marcus Bosch
Aus der
aktuellen Ausgabe
von „Kölner
Philharmonie